80er Jahre

Innere und äußere Aktivität

Bis etwa Mitte der 80er Jahre setzt sich die große Aktivität der Liedermacherszene auf allen Bereichen fort. In den Kreisen der AG Song finden weiterhin jedes Jahr große Arbeitstreffen statt, auf denen der selbstgesteckte Anspruch, Kommunikation und Fortbildung zu fördern, vorangetrieben wird.
Eine Reihe von Publikationen zur Liedermacherszene erscheint, in denen immer häufiger die Qualitätsfrage gestellt wird.

Zahlreiche Wettbewerbe für junge Nachwuchskünstler erleben in den 80ern eine Blüte; fast jede größere Stadt veranstaltet solche Foren mit dem Ziel, Jugendliche in ihrer Ausdrucksfähigkeit und künstlerischen Betätigung zu fördern. Daneben werden die ersten größeren Versuche gemacht, Liedermacher und Liedermachen in Schulen zu behandeln. Liedermacher werden in der Kirche aktiv und organisieren sich

Selbstreflektion und Selbstmitleid

In dieser Zeit ist eindeutig ein starker Anstieg der Selbstreflektion besonders in den Reihen der AG Song zu erkennen. Zu Beginn der 80er Jahre beginnt in der Popularmusikszene eine bis in die Mitte des Jahrzehnts hinein kommerziell ausgesprochen wirksame Aufwertung deutscher Musik: die „Neue Deutsche Welle“ .

Diese wiederum ist der Boden für einige Künstler, die sich zunächst auch „Liedermacher“ nennen, die ihre Erfolgsplattform aber in der Neuen Deutschen Welle haben: Heinz-Rudolf Kunze, Ulla Meinecke, Herbert Grönemeyer, Klaus Lage u.a. Zwischen diesen erfolgreichen neuen und den etablierten Liedermachern aus den 60er und 70er Jahren „hängt“ die „AGS-Szene“ fest. Die Liedermacher aus ihrem Umfeld erleiden seit Beginn er 80er Jahre tief greifende Publikumsrückgänge und bekommen immer mehr Schwierigkeiten, sich finanziell, thematisch und künstlerisch zu behaupten. Auch sinkt angesichts der Neuen deutschen Welle das Interesse der Medien und Plattenfirmen an den „alten“ Kräften rapide ab. Besonders in den Kreisen der AG Song beginnt ein „lähmendes Selbstmitleid“ Fuß zu fassen, bei dem sich Liedermacher als Opfer veränderter kultureller und gesellschaftlicher Bedingungen sehen.

Publikumsverlust und Sinnsuche

Es kommt immer wieder ein ausgesprochen problematisches Verhältnis vieler Liedermacher zur Öffentlichkeit zum Ausdruck. Immer noch sehen sich die Künstler am liebsten in der Tradition studentenbewegter, linker Gegenkultur. Es wird gar behauptet, Kultur überhaupt sei nur als Gegenposition zu verstehen . Trotzdem wird immer wieder eine größere Medienpräsenz und bessere finanzielle Absicherung der Liedermacher gefordert. Die Kräfte, die das verhindern, werden bei irgendwelchen dunklen Hintermännern und einer „Kultur-Mafia“ gesucht . Mahnende Worte wie etwa die von Ekkes Frank, die auf den Widerspruch zwischen gegenkulturellem Konzept und medialer Präsenz hinweisen, finden kaum Gehör:

„[…] wir müssten uns fragen, was wir falsch machen, wenn die uns nicht so behandeln würden! […] Das, was wir machen, gehört einer Kultur an […] die diese Art von Kultur, die in diesem Land bestimmt, gegen uns aufbringen muss.“

Die Liedermacher verlieren Publikum. Die Selbstreferenz einer auf sich selbst zurückgeworfenen Szene beschreibt Kollege Aragorn Gatter treffend in einem Grundsatzartikel anläßlich des 23. Bundestreffens der AG Song in Essen (1984):

„In einem sind sich Vertreter aller genannten Gruppen einig: ‚Liedermacher‘ will sich kaum ein Urheber von Text/Musik-Kunst mehr nennen oder nennen lassen. Jede zweite Wortmeldung auf dem Essener Plenum begann daher mit dem Hinweis, dass man eigentlich nicht dazu gehöre. […] Mangels einer solidarischen Bezugsgruppe, deren Sprachrohr sie sein könnten, definieren sich neuerdings die Liedermacher selbst als bemitleidenswerte Minderheit, als unterdrückte Klasse, der sie einzeln zu entkommen trachten.“

Gatter möchte dann aber auch nicht die ganze Schuld an der Liedermachermisere auf gesellschaftlichen Wandel abgewälzt sehen. Die Schuld läge bei den Liedermachern selber, die vielfach nicht in der Lage seien, geeignet auf diese Veränderungen zu reagieren und sich vielmehr auf Inseln der Privatheit zurückzögen, die nur noch denen zugänglich seien, die ähnliche Erfahrungen gemacht hätten.

Der Drang an die Öffentlichkeit bleibt dabei bestehen. Die Liedermachertreffen der AG Song werden immer mehr vom Profilierungswunsch vieler einzelner Liedermacher geprägt; der Vorsitzende Stefan Rögner bezeichnet die Zeit insgesamt als „Durststrecke“ .

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