Dziuk

Foto: Tine Acke
Danny Dziuk (Foto: Tine Acke)

Eine Biographie über Danny Dziuk zu schreiben, ist keine leichte Aufgabe. Auf seiner Webseite findet sich wenig darüber, wo er herkommt und welche Wege er genommen hat. Die vielen Projekte mit unterschiedlichen Musikern, Kabarettisten und Poeten, mit denen er seit dreißig Jahren im Studio oder auf der Bühne gespielt hat, tragen mehr zu Verwirrung bei als dass sie einen roten Faden erkennen lassen. Was zwischen den Zeilen immer deutlich wird, ist die Sehnsucht nach einem Leben ohne Lügen, der Wille, so authentisch zu sein, wie es irgend möglich ist und vor allem kein Leben, in dem „die Pose gegen Haltung gewinnt“, wie es in „Hauptsache Wind“ heißt.

Danny Dziuk, der Name kommt übrigens aus Polen und der Ukraine, wird 1956 in Duisburg-Walsum geboren und wächst am linken Niederrhein auf. Er sitzt schon früh am Klavier, denn er kommt aus einer musikalischen Familie. Drei oder vier tschechische Onkels hatten in den dreißiger Jahren kleine Bands in Wien und Budapest gehabt, sein Vater spielte früher Geige und seine Mutter ganz leidlich Klavier. Ab und an trat sie in Bars vor amerikanischen Soldaten auf, während „Opa mit verschränkten Armen im Hintergrund aufpasste, daß ihr keiner der GIs zu nahe kam.“ Der erste wichtige musikalische Einfluss liegt aber vor der Haustür. Seit 1971 waren einmal jährlich beim großen Freejazzfestival in Moers internationale Größen wie Carla Bley, das Art Ensemble of Chicago, Sun Ra oder Dollar Brand (Abdullah Ibrahim) zu hören. Besonders begeistert ihn die Musik von Miles Davis, Thelonius Monk und McCoy Tyner und ein Konzert von Sonny Terry & Brownie McGee erlebt er quasi hautnah ganz dicht an der Bühne.

Angeregt durch großartigen Jazz und Blues übt Danny nun bis zu fünf Stunden täglich am Klavier, um richtig gut zu werden. Mit 16 nimmt er klassischen Unterricht. Die bühnenerfahrene Konzertpianistin Doris Konrad, Professorin an der Hochschule Duisburg, hält ihn für so begabt, dass sie ihn zwei Jahre lang auf die Aufnahmeprüfung in Köln vorbereitet. Nebenher spielt er schon in lokalen Bands, gewinnt ein paar kleinere Preise bei Jugend musiziert, und hört Bob Dylan. Er besteht schließlich die Aufnahmeprüfung an der Kölner Musikhochschule mit Stücken von Bach bis Schönberg, merkt aber bald, dass er nicht gut genug ist, um Konzertpianist zu werden, ohnehin erweist sich sein Interesse an der klassischen Musik als nicht ausreichend. Jazz, Blues und Rock sind wichtiger, so läuft das ganze auf den Beruf eines Musiklehrers hinaus.

Danny Dziuk (FOTO Paulus Ponizak)
Danny Dziuk (FOTO Paulus Ponizak)

Mitte der siebziger Jahre wird nebenan in Kalkar der „Schnelle Brüter“ gebaut, er fährt auch mal hin zu den Demonstrationen, doch irgendwie ist ihm die Sache suspekt. „Ich hab’s denen einfach nicht mehr abgenommen“, sagt Dziuk, „dieses lauthals radikalrevolutionäre Getue, während man sich – natürlich eher im stillen – bereits seinen sicheren staatlichen Pöstchen entgegenarbeitete. Marsch durch die Institutionen, soso.“ Er nennt Jo Leinen als Beispiel, „der früher bei den Friedensdemos immer so großspurig aufgetreten ist. Der sitzt heute im Europaparlament und unterstützt mittlerweile  beispielsweise die „Rapid Reaction Force“, eine Art medialer Schneller Eingreiftruppe, die vor allem auch gegen ATTAC, Friedensinitiativen & Gewerkschaftsorgnisationen eingesetzt wird.

Ich war schon damals misstrauisch, vielleicht wäre ich politischer geworden, wenn Dylan oder Miles Davis nicht gewesen wären, vielleicht wären auch die RAF oder sonstige Putztruppen eine erwägenswerte Alternative geworden.“

„Als ich schließlich dort wegging, vollkommen allein…“

Von einem Tag auf den anderen schmeißt er 1977 das Studium, bricht mit Freunden, Eltern und der Musikhochschule und beschließt wie einst Jack Kerouac in Unterwegs „erstmal auf Reisen zu gehen: Ich war irgendwie so ein begabtes Kind, und das Drama des begabten Kindes wollte ich mir ersparen, gegensteuern, ich weiß nicht, ob abhärten das richtige Wort dafür ist, da hätte ich ja auch zur Bundeswehr gehen können, aber ich wollte es einfach erdiger haben“ So versucht sich Danny als Straßenmusiker, spielt und singt Folksongs auf der Gitarre, zieht mit zwei Belfaster IRA-Sympathisanten durch Spanien und Frankreich, arbeitet in Perpignan bei der Weinernte, beim Straßenbau in Marseille, im Hafen von Rotterdam und bei der Post in München. Anfang der achtziger Jahre hat er die Nase voll vom Herumziehen. „Mittlerweile“, sagt er, „frag ich mich, ob das nicht Quatsch war, voll Sehnsucht auf der Suche nach irgendwas durch die Welt zu ziehen, diese Illusion von Freiheit oder was auch immer. Trotzdem denk ich, dass ich diesem jungen Paddelkopp von damals heute noch immer gegenübertreten könnte. Auch glaub ich, dass Kerouac & Cassady den auf dem Rücksitz ihres alten Strassenkreuzers akzeptiert hätten. Bei mir in meinem jetzigen Aggregatzustand wäre ich mir da nicht so sicher.“

„Ich kam nach Berlin, die Sonne schien“

Hamburg und London sind in der engeren Auswahl für einen neuen Anfang, aber Danny geht nach Berlin, fährt zunächst Gabelstapler für einen Getränkebetrieb in Tegel und kommt in einer Art Ex-Hausbesetzer-WG in Kreuzberg unter, mit der er Anfangs auch Musik macht. „Die waren von der AA0 beeinflusst – Aktionsanalytische Organisation, grauenhaft – und Otto Mühl. Das war so einer, der z.B. Tiere auf der Bühne schlachtete, das Publikum dabei mit Blut bespritzte („da könnt ihr mal sehen, wie verlogen die sind!“), später eine Sexkommune aufmachte mit ‚Fickhierarchien’ und zuletzt wegen Kindesmissbrauchs drangekriegt wurde.“ Aus dieser Wohngemeinschaft ist er nach ziemlich kurzer Zeit dann auch folgerichtig „hochkantig rausgeflogen“, aber da hatten ihn schon andere gehört und gesehen und so ist Danny bei Johnny & The Drivers gelandet. „Wir spielten z. B. im Quasimodo oder im Quartier Latin, und ich nannte mich Danny Deutschmark, denn Dziuk konnten die sich ja nicht merken. Der Bassist kam von der frühen Mitch-Ryder-Band aus den Staaten, und ansonsten war da vor allem John Thomas, ein Australier, der Frontmann und Sänger der Band, so einen hab ich auch hinterher nie wieder getroffen. Der kam mir immer vor wie aus On The Road von Kerouac, der lebte das wirklich, Rock’n’Roll, oder was man darunter halt so verstand. Wobei das Buch ja musikalisch eher mit BeBop zu tun hat, aber das ist eine andere Geschichte.“

„Wie intakt kommt man raus hier aus diesen komischen Schuh’n?“

Etwa um diese Zeit lernt Danny auch Klaus Lage kennen, spielt in dessen Band und schreibt im Laufe der 80er vereinzelt Songs für ihn. „Das wäre eine mögliche Karriere gewesen, daran hätte man sich halten können, finanziell, meine ich. Zum Beispiel bekam ich als erster den Text von ‚1001 Nacht’ zugeschickt. Diether Dehm hatte den geschrieben. Ich fand ihn so kreuzdämlich, dass ich da nicht mal drauf reagierte. Jedenfalls hat am Ende der, der das dann vertonte, sich ein hübsches Haus davon gebaut. Und ich kann nicht mal sagen, dass mir das Leid tut. Denn in solchen Häusern bleibt man dann in der Regel auch für den Rest seines Lebens stecken, geistig, meine ich.“ „Klaus Lage war irgendwie ein netter Kerl, half auch, wo er konnte, und besaß zweifellos, was man eine wirklich brauchbare Stimme nennen könnte. Das eigentliche Problem dahinter war jedoch vor allem besagter Diether Dehm. Der zog im Hintergrund an allen möglichen Strippen, schrieb fürchterlich peinliche Texte und schaffte es durch seine fischig agile Wendigkeit, die auch überall anzubringen, und zwar von Dieter Thomas Hecks Hitparade bis hin zu „Künstler in Aktion“, „Künstler für den Frieden“, „Künstler für weiss-der-Geier“…
Hauptsache, das ganze hatte den richtigen politischen Anstrich, und die Bahn war frei für jede Art von Kitsch, Labberigkeit & Aufweichung. Darin bestand die grosse Rechtfertigung für aber-auch-alles… was auch gleichzeitig das Perverse ist an dieser Politik & Kunst-Logik. Auch privat konnte man ein noch so grosses Arschloch, Karrierist, Intrigant & Machtmensch sein, solange man nur auf der vermeintlich richtigen Seite stand. Ich misstraue diesem derZweck-heiligt-die-Mittel-Konzept zutiefst“.