Ernstgemeint gewinnen das Turiseder Troubadorum 2016

Von Ghostwritern, Koksbaronen & Sahnehering

ernstgemeint
rattenscharfe-photos.de (Anja Rattchen)

Das Ohrakel hat gesprochen – einmal mehr sind die Sieger des jährlich von der Kulturinsel Einsiedel veranstalteten Musikerpreises „Turiseder Troubadorum“ gekürt! Am 04. September des Jahres 2016 um 17.00 Uhr war es wieder soweit – es schallte der Name der Gewinner durch die Tunnel, über die Hügel und Neißeauen der Kulturinsel Einsiedel hinweg. Nach drei Tagen, neun Bands und einer Unmenge von Stunden voller Tanz, Klang und Poesie, konnten die von den hitzigen Diskussionen noch immer mental-schwitzenden TuriJurOhren Kai Engelke (Folker, Deutscher Schallplattenpreis), Matthias Bardong (WDR & Liederbestenliste), Jerg Burchard (der jerg) und Maxi Gaudlitz (Liederbestenliste) den Namen des 1. Troubardisten des Jahres 2016 dem abwartenden Publikum bekanntgeben – ganz traditionell: in Form eines Limericks.

Neuste Erkenntnisse der Turisedeforschung hatten zuvor ergeben, dass der musikalische Wettstreit von Klangbrigaden einen zentralen Bestandteil der alten Turisedischen Festspiele (heute als Turisedische Festspiele „2.0“ / Folklorum noch immer gefeiert) vor 1000 Jahren darstellte. So wurden nun Bardinnen und Barden von Fern und Nah geladen, um am östlichsten Punkt Deutschlands in kindlicher Freude um den Sieg im 2. Turiseder Trousbadorums der Neuzeit zu kämpfen. In Klang & Wort kamen sie, sich zu messen, sich zu präsentieren vor den wohl schärfsten Kritikern Turisedes – der vierköpfigen Jury zum einen, aber vor allem: vor dem tanzenden, feierlustigen Volke des Folklorums selbst.

Der Turiseder Troubadour ist ein Musikpreis, den die Kulturinsel Einsiedel seit letztem Jahr wiederkehrend zum zweitgrößten Folk- und Weltmusikfestival Deutschlands vergibt. Hatte es im Jahr zuvor ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem Duo Hand in Hand und Attilla & Friends gegeben, so waren sich dieses Jahr Jury und Publikum einig und baten in den späten Nachmittagsstunden des Sonntags den Sieger mit Limerick und Applaus auf die Bühne. Sie urteilten:

Drei Barden aus der Stadt Potsdam
Waren alles andere handzahm
Schlugen und zupften die Saiten
Bis sich Bogen die Balken
Dass auch der letzte ekstatisch in Fahrt kam

Drei junge deutsche Liedermacher aus Potsdam gingen also als patschendnasse, selig grinsende, nach turisedischer Tradition mit Wasser aus der Ukulele von Ukulelus dem Scheinbar Achtarmigen, der als erster Barde Turisedes gilt, getaufte und konfettibeschneite Gewinner des Turiseder Troubadorum 2016 von der Bühne. Zuvor bewiesen noch einmal in einem letzten Test auf Quark und Reim, dass sie des ersten Platzes würdig waren und spielten ebenso scheinbar achtarmig wie der erste Barde Turisedes die Saiten einer Gitarre. Da waren acht arme, vier Personen unter einem Mantel verhüllt und der Kopf einer Person, die eine Hommage an den Akkord A spielten. Sie brillierten also auch in der letzten Prüfung.

ernstgemeint. heißen sie und nehmen zwischen geschlagenen und gezupften Saiten, hypnotisierenden Querflötentönen und sonor-bärtigem Männer-Stimmenhall kein Blatt vor den Mund. Ihre Texte: politisch, frech, humorvoll und angenehm bis angenehm unangenehm unverblümt. ernstgemeint., das sind Freddy Knörnschild, Lukas Clayer und Eric Ete Hannibal. Sie singen nicht um den heißen Brei, aber doch ab und an von Sahnehering. Ihre Lieder erzählen Geschichten, deren thematisches Spektrum kaum Grenzen kennt. Schwebt man in einem Lied auf Querflötenklängen und gezupften Saiten mit ihnen vernebelt durch das weite All und verliert den Halt unter den Füßen, wird man im nächsten Song bereits nach Brasilien katapultiert, wo man erblickt, wie „der arme kleine Brasilianer“ den grünen, holländischen Kunstrasen für die fein-pedikürten Füße der Fußballprofis der Weltmeisterschaft ausrollt. Ungeschmückt ehrlich, mit einem nasestoßenden wenig naseweißen Augenzwinkern, das den Zahn der Zeit zieht und an der Stelle weh tut, an der es schmerzen muss, texten und vertonen sie Banales wie Politisches, Kritisches wie Schelmisches, Grölendes wie Leises. Zwischen schwingenden Tanzbeinen und verkaterten Lachmuskeln findet sich tiefsinniger Unsinn und unsinniger Tiefsinn. Das Trio ist direkt, kritisch, humorvoll und wortwitzelnd und dabei so sehr auf-die-Fresse wie eloquent.

„Jetzt kann ich die Erde nicht mehr sehen, Houston wir haben ein Problem. Ich hab echt mal gedacht, das wäre schön, doch jetzt hör ich nicht mehr auf mich zu drehen.“ Auch auf der Kulturinsel fand sich gleiches Szenario der fehlenden Bodenhaftung und schwirrender Köpfe: Als das Trio beginnt zu spielen füllt sich der Platz vor der Freien Museumsbühne und es dauert nicht lang bis der Weg bis zur Undurchdringbarkeit von einer Meute an mitsingenden, grölenden und tanzenden Menschen blockiert ist, die den drei Potsdamern zujubeln und sie bis zur dritten Zugabe nicht von der Bühne lassen. Schätzungsweise fünfhundert Menschen ziehen die Jungs mit musikalisch-magnetischer Kraft an den Bühnenrand und ins Bühnenumland und lassen sie nicht ohne Ohrwürmer, eine fette Show und über einer Stunde Ekstase wieder gehen.

Mit drei Stimmen, zwei Gitarren und einer Flöte erzählten sie Geschichten von der Ferne, vom Unterwegssein, von Leben und Tod, vom Lieben und Trinken, Begrenztheit und Freiheit. Sie können alles sein: von unprätentiös bis zur Naturgewalt und besingen alles: von der Oberfläche bis zum Grund. Ihr Blick auf die Welt, ihre charmant-berlinischere Ehrlichkeit (obschon aus dem biederen Potsdam) und ihre Leichtigkeit begeistern, reißen mit und lassen keinen Fuß still. Gerüchte gingen um, die Erde hätte gebebt, als ernstgemeint. den letzten Ton spielten und die Meute lautstark nach Zugabe verlangte. Die Jury attestiert: eine aufstrebende, junge Liedermacher-Band mit rüpelhaft-ehrlichen Charme, die zwischen Lachmuskel-Metal und Glockenspielromantik sowohl die Ohren des Publikums als auch der vierköpfigen Jury widerspruchslos überzeugen konnten.

Die drei schrägen Sympathen, die mittlerweile zum festen Stamm der Protegé von Götz & Fabia Widmann bei Ahuga gehören, rockten vom ersten bis zum letzten Ton – vom Koksbaron bis zum Sahnehering, der Reise des Rasens bis zum Einsamen Astronauten.

Als nächstes zu erleben sind sie am 07. Oktober in Wernigerode und am 22. Oktober beim Liedermaching Festival in Braunschweig. Oder ihr schaut mal bei der Liedermacher Liga in Potsdam vorbei, – auch da sichtet man sie laut Gerüchten des Häufigeren.

Ihr aktuelles Album findet man bestellbereit auf der hauseigenen Website oder bei Ahuga:

http://www.ernstgemeint.com/
http://www.ahuga.ch/1/index.php/ernstgemeint