Konstantin Wecker & Band in Bremen

Konstantin Wecker & Band in Bremen

Das Publikum in der Bremer „Glocke“ hatte schon mehrfach applaudiert und die Musiker und den Abend gefeiert, als der für mich stärkste und nachhaltigste Moment des Konzerts kam. Das Licht beleuchtete nur noch den Mann am Flügel und Konstantin Wecker sang ein ganz leises Lied, beginnend mit „Klar bin ich tapfer, fast ein Held, und mach mein Maul auf wo ich kann, kassiere dafür Ruhm und Geld …“

Und plötzlich wurde der Saal ganz klein, und der Mensch, der gerade noch alle zu verzaubern wusste, schob die Illusionen beiseite und bekannte seine Zweifel: „Wär das Metall in meinem Sang nicht längst vor Angst verrostet, in einem Land, in dem ein Satz oft schon das Leben kostet?“

Dem einen oder anderen im Saal mag da auch der alte Satz in den Sinn gekommen sein: „Geh doch nach drüben, wenn du hier nicht zufrieden bist!“ Mit „Drüben“ war die DDR gemeint, und man hörte den Satz oft in den 70er/80er Jahren, als Konstantin Wecker seine Karriere begann, und : „Trau dich dort mal, genau so kritisch zu sein, wie hier!“

Auch damals war er schon ein aufmerksamer Chronist unserer Zeit, als „die Schickeria ihren Porsche gegen einen 2CV eintauschte“ und etwas „faul sein musste an derer Revoluzzerei“, wie er vor 1977 in „Willy“ sang, und weiter: „Freiheit, das heißt keine Angst zu haben vor Nichts und Niemanden.“ Auch nicht vor sich Selbst, seinen Ängsten und Zweifeln, seinen Süchten.

Heute wie damals findet Wecker Verbündete bei den Verrückten, den Narren, den Romantikern (Novalis): „Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren sind Schlüssel aller Kreaturen, wenn die so singen oder küssen mehr als die Tiefgelehrten wissen…“  Von dieser Lebendigkeit, der Liebe, Zärtlichkeit, dem Wilden und Stürmischen, dem Widerstand gegen eine Gesellschaftsordnung, die alles Lebendige in Waren verwandeln muss, wie Marx es im Kapital schrieb, handeln seine Lieder, dafür steht er seit mehr als 40 Jahren als Mensch und Künstler ein.

Und mit wem stand er nicht schon alles auf der Bühne: Mercedes Sosa, Joan Baez, Mikis Theodorakis, Hannes Wader, Reinhard Mey, Charlie Mariano, Wolfgang Dauner und den anderen Mitgliedern des United Jazz & Rock-Ensemble, aber auch mit Esther Bejarano, der Auschwitz-Überlebenden mit der er gemeinsam gegen den wieder aufkommenden Faschismus in Europa ansingt.

Konstantin Wecker hat dabei das Glück, mit Musikern zu arbeiten, die nicht einfach nur „abliefern“, sondern wirklich miteinander spielen, einander zuhören. Beim Konzert in der Glocke waren das sein langjähriger Begleiter Jo Barnikel, Keyboard, Trompete, Akkordeon, Schlagzeug und mehr, den Wecker scherzhaft als seinen Lebenspartner vorstellte, über die wunderschön spielende Cellistin Fany Kammerlander, die auch singt, der musikalische Leiter der Blue-Man-Group Berlin Jens Fischer an Schlagzeug, Gitarre und Gesang, und die noch ganz am Anfang ihrer Karriere stehende Cynthia Nickschas, Gitarre und Gesang, die mit ihrer an Janis Joplin oder Zaz erinnernden Stimme beeindruckte und mit dem Konstantin Wecker in einigen Duetten zu erleben war.

Es lebt noch, das demokratische, humanistische und vor allem antifaschistische Ideal einer Gesellschaft, voller Schönheit in der Sprache, in der Musik und in den zwischenmenschlichen Beziehungen, bei uns im Lande tief verwurzelt in der Romantik und dem Zeitalter der Aufklärung. So wichtig, wie schon lange nicht mehr, ist es, diese Tradition zu bewahren, zu erneuern und weiter zu entwickeln. Und so löste Konstantin Wecker im Konzert dann den leisen Moment des Zweifels auch auf: „Was bleibt ist, diese kleine Glut des Widerstands zu wahren, vielleicht muss sie mal Feuer sein in ein paar Jahren“

Wecker in BremenEr selbst ist längst zu einem „Hüter des Feuers“ geworden, wie seine Förderer, Freunde und Lehrer Hanns-Dieter Hüsch und Dieter Hildebrandt, die vor ihm die Glut bewahrt haben. Beide luden ihn immer wieder in ihre Sendungen ein und nahmen ihn mit auf die Bühne, so wie er heute der jungen Cynthia Nickschas die Bühne bereitet und weiteren Künstler auf seinem Label „Sturm und Klang“. Das Publikum dankte allen mit stehenden Ovationen.

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